data scientist

Han-Mi Nguyen

IBAW

Ein Tag im Leben eines angehenden Data Scientists

Von Marina Schulz | 12.06.2019
Traumberuf: Data Scientist. Laut dem Harvard-Wissenschaftler Thomas H. Davenport gilt diese Berufsgruppe als der «sexiest job des 21. Jahrhunderts». Doch was macht das gezielte und umfassende Analysieren von Daten mithilfe von statistischen Methoden und Modellen so attraktiv? Han-Mi Nguyen, angehende Data Scientist, gehört schon bald zu einer dringend gesuchten Gruppe von Fachkräften und gibt uns einen Einblick in den angeblich attraktivsten Job dieses Jahrhunderts.

Wie kam es dazu, dass du dich beruflich in die Richtung Big Data bewegt hast?

Mein Bachelor habe ich im Monofach Wirtschaftswissenschaften (mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre) abgeschlossen. Erst als ich im Sommer 2017 mit dem Masterstudium begann, konnte man in der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an meiner Universität ein Nebenfach wählen. Glücklicherweise wurde das Studienangebot exakt zu diesem Zeitpunkt um den Studiengang Data Science erweitert. Mein Professor, der damals meine Bachelorarbeit betreut hatte, ermutigte mich dazu, Data Science nicht im Nebenfach, sondern im Hauptfach zu studieren. Grund dafür war das R Skript meiner Bachelorarbeit, das er eindrücklich fand. Dieses hält die Regressionsanalysen von provinzialen Zeitreihendaten nach den ökonomischen Konvergenztheorien fest. Nachdem ich überprüft habe, ob ich mein Hauptfach mitten im Masterstudium wechseln konnte, reichte ich einen Antrag für den Studiengangwechsel mit folgender Änderung ein: Hauptfach Data Science, Nebenfach Wirtschaftswissenschaften.

Wie kann man sich den Start in einen klassischen Arbeitstag eines Data Scientists vorstellen?

Ich schalte meinen Computer mit den zwei Bildschirmen an und logge mich zweimal ein: in mein Unternehmensbenutzerkonto, wo ich interne Mails von Mitarbeitern erhalte, sowie in die vorkonfigurierte virtuelle Maschine (VM). Dabei handelt es sich um eine simulierte Computerumgebung, wo alle für mich relevanten Anwendungen (SQL, Visual Studio, R, Power BI, etc.) installiert sind und welches folglich nicht an die physische Hardware gebunden ist.

Ein Arbeitstag von Han-Mi Nguyen sieht folgendermassen aus:

7 Uhr:  Entweder stehe ich jetzt auf, oder vielleicht habe ich schon mit der Arbeit losgelegt. Dank flexiblen Arbeitszeiten kann ich selbständig darüber entscheiden, wann mein Arbeitstag beginnt.
8 Uhr: «Reset»-Ansicht der Arbeit und allfällige Korrekturen tätigen
9 Uhr: Vorbereitung von Fragen und Zusammenfassung der bisher ausgeführten Schritte
10 Uhr: Kaffeepause
11 Uhr: Gespräch mit Betreuer: Austausch über Stand der Arbeit und weiterer Verlauf. Gemeinsam überprüfen wir, ob meine bisherige geleistete Arbeit seinen Erwartungen und Wünschen entspricht.
12 Uhr: Mittagspause
13 Uhr: Neu erteilte Schritte in der Planung angehen und gegebenenfalls ausführen
14 Uhr: Die täglichen Ziele abarbeiten
15 Uhr: Selbststudium einbinden (PDFs lesen, Tutorial Videos anschauen, etc.) um neue Methoden zu lernen oder Inspiration zu finden
16 Uhr: Nach wie vor Ausführung der neu erteilten Aufträge
17 Uhr: Korrekturen oder Nachbearbeitung der besprochenen Details im Gespräch

Arbeitest du nach einer Projektmanagementmethode?

Nach Erhalt des Projektauftrags ist mein Vorgehen – wie mein Betreuer es immer sagt und empfiehlt – ganz gewöhnliche «Schreibarbeit». Das heisst, ich skizziere und notiere für ein Data Warehouse Design zuerst ein erstes Konstrukt der zu abbildenden Objekte und ihre Beziehungen, bevor ich überhaupt loslege, die SQL Codes für den Aufbau einer Datenbank zu schreiben. Für das Datenverständnis und die Datenmodellierung muss – wie im Falle eines Architekten – zuerst ein Bauplan konzipiert werden, um danach effizient und langfristig etwas aufbauen zu können.

 Gibt es ein Unternehmen, bei welchem du in zehn Jahren gerne arbeiten würdest?

Für ein internationales Riesenunternehmen wie Apple, Google, Samsung Electronics oder Microsoft zu arbeiten wäre natürlich aufregend. Aber grundsätzlich bin ich zufrieden mit meinem jetzigen Arbeitgeber, der Genossenschaft Migros Luzern.

Was ist dein berufliches Ziel?

Beruflich erwarte ich, eigene andauernde sowie bedeutsame Realisierungen von Ideen hervorbringen zu können.

Wie würdest du deinen Job in einem Adjektiv beschreiben?

Vielschichtig.

 Wie reagiert dein Umfeld auf deine berufliche Ausrichtung?

In meinem Bekanntenkreis werden vor allem erhöhte Karrierechancen sowie Stabilität im Job mit Berufen im Bereich der Informatik assoziiert.

Was war dein Berufswunsch als Kind?

Als Kind wollte ich entweder Chief Financial Officer (CFO) oder Professorin werden. Letzteres könnte ich immer noch angehen, wenn ich meinen aktuellen Berufsweg betrachte.

Wärst du nochmals zwölf Jahre alt – welchen beruflichen Weg würdest du einschlagen?

Lange war ich unzufrieden mit dem eintönigen Studiengang in den Wirtschaftswissenschaften – auch weil ich zu dieser Zeit noch kein Nebenfach wählen durfte. Ich bereute es, keine Infoveranstaltung für das Physikstudium an der ETH Zürich besucht zu haben. Aber würde ich mich nach dem Gymnasium sicherlich nochmals für ein Studium entscheiden (oder mich vielleicht direkt für ein Informatik-Praktikum bewerben). Die für mich interessanten Studiengänge wären Wirtschaftsinformatik, Mathematik und Physik. Letztendlich bin ich sehr zufrieden, in welche Richtung sich meine berufliche Laufbahn entwickelt. Die Disziplin Data Science ist die perfekte Kombination von meinen wesentlichen akademischen Interessen: Mathematik und Statistik, traditionelle Forschung und Coding, wobei Volkswirtschaftslehre faszinierende Themen zur Bearbeitung vorlegt.

 Wieso wird der Beruf Data Scientist aus deiner Sicht als «sexiest Job des 21. Jahrhunderts» bezeichnet? Was macht diesen Job so attraktiv?

Data Scientists repräsentieren die Schnittstelle zwischen der businessbezogenen und technischen Seite, wenn Unternehmen ihre Datenbestände für den Entscheidungsfindungsprozess heranziehen wollen. Für diese komplexe Problemstellung müssen die Datenanalysten multiple Kompetenzen gleichzeitig aufweisen:

  • notwendiges domänenspezifisches Know-how für das Datenverständnis
  • Programmierkenntnisse für die Datenmodellierung
  • Analytisches und mathematisches Denken für die Anwendung und Auswahl der geeigneten statistischen Analysetechniken

Weil Data Scientists über ein breites Spektrum an Fertigkeiten verfügen müssen, kann ich nachvollziehen, wieso dieser Beruf über mehrere Sektoren hinweg gefragt ist.

Warum würdest du jemandem empfehlen, die Weiterbildung zum Data Scientist NDK HF – sei es am IBAW oder bei einer anderen Bildungsinstitution – in Angriff zu nehmen?

Allgemein bin ich der Meinung, dass man beruflich wie auch privat flexibel und offen und somit seinen Horizont konstant erweitern soll. Aus diesem Grund empfehle ich generell, sich stetig weiterzubilden. Umso mehr, wenn man nicht der Typ ist, der sich Material gerne im Selbststudium aneignet. Die sich schnell verändernde Branche der Informatik stellt dabei eine Umgebung mit vielen Chancen und Risiken dar. Diese sind hochrelevante Angelegenheiten für unsere Gesellschaft, die ergriffen beziehungsweise in Angriff genommen werden sollten.

Und was uns zu guter Letzt Wunder nimmt: Wie erklärst du deiner Grossmama, was du beruflich machst?
Kurz zusammengefasst: Für die Analyse von Daten organisiere ich zuerst die Fakten, welche an mehreren Orten gesammelt und gespeichert wurden. Danach muss ich die Zusammenhänge und Bedeutung aus diesen Fakten verständlich kommunizieren.

Han-Mi Nguyen

Han-Mi Nguyen, *1995, macht aktuell in einem 40%-Pensum ein Praktikum im Datenmanagement bei der Genossenschaft Migros Luzern.

Autor
Angela Meier
Angela Meier